Prüfung des Kindeswohls in Fällen internationaler Kindesentführung

Dienstag, 31. März 2015 20:15

Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hat in einer aktuellen Entscheidung aus dem Jahr 2014 noch einmal deutlich gemacht, dass das Kindeswohl integraler Bestandteil jeder Rückführungsprüfung in Fällen internationaler Kindesentführung auf Grundlage des sog. Haager Kindesentführungsübereinkommens (HKÜ) sein muss. In dem vom Oberlandesgericht zu entscheidenden Fall war die eigentliche Rückführungsentscheidung bereits getroffen. Im konkreten Fall ging es um die Durchsetzung dieser Entscheidung, mithin um die Vollstreckung. Das Gericht machte deutlich, dass selbst in diesem (späten) Verfahrensstadium das Kindeswohl von erheblicher Bedeutung sein kann. Die zu vollstreckende Entscheidung hatte die Rückführung der Kinder vom Vater in Deutschland zur Mutter, nach Kanada, angeordnet. Die Kindesmutter hatte in Kanada allerdings einem Verbleiben der Kinder in Deutschland bis zur Eröffnung des Hauptsacheverfahrens zugestimmt. Dadurch sei bei den Kindern ein schützenswerter Vertrauenstatbestand geschaffen worden, so das Hanseatische Oberlandesgericht. Die Vollstreckung der Rückführungsentscheidung wurde durch das Hanseatische Oberlandesgericht mit Blick auf das bei den Kindern geschaffene Vertrauen abgelehnt.

Die Entscheidung veranschaulicht ebenfalls die Bedeutsamkeit von Verfahrenshandlungen im Ausland auf in Deutschland anhängige Verfahren. Für den Fall, dass sowohl im Ausland als auch in Deutschland familienrechtliche Verfahren anhängig sind, sind diese zu koordinieren, damit derartige „Nebenwirkungen“ vermieden werden können. Wir setzen unsere langjährige Erfahrung in grenzüberschreitenden Familienkonflikten, Kindschaftsangelegenheiten und Kindesentführungsfällen gerne für Sie ein.

Rechtsanwalt Hanke hat die vorstehenden Fall detailliert kommentiert in FamRB (Familienrechtsberater), 2015, Seite 100 – 101.

Beachtlichkeit des Kindeswillens

Donnerstag, 25. Oktober 2012 14:54

Das OLG Köln hat in einer Entscheidung vom 09.01.2012 (II-4 UF 229/11) zur Beachtlichkeit des Kindeswillens eines 12 1/2 jährigen Kindes Stellung bezogen. Ausgangslage für die Entscheidung war die Frage, ob das Sorgerecht nach dem Tod der Mutter des Kindes auf den Vater zu übertragen sei oder aber auf einen Dritten, hier die Tante des Kindes. Das Kind hatte erklärt, dass es eine Übersiedlung in den Haushalt des Kindesvaters ablehne. Das OLG Köln war überzeugt, dass das Wohl des Kindes durch eine Übertragung der Sorge auf den Vater erheblich gefährdet sei, da der ernsthaft geäußerte Wille des Kindes dem entgegensteht.

Die Beachtlichkeit des Kindeswillens, der als eigenes Kriterium im Rahmen der Kindeswohlprüfung Berücksichtigung findet, ist nur schwer bestimmbar und richtet sich im Wesentlichen nach dem Alter des Kindes. So hat des BVerfG folgende Einordnung getroffen: Im Kleinkindalter speilt der Kindeswille eher ein geringeres Gewicht, weil das Kind noch nicht in der Lage sei, sich einen eigenen Willen zu bilden, mit zunehmenden Alter und Einsichtsfähigkeit kommt dem Kindeswille vermehrte Bedeutung zu.

Ab wann ein solche Einsichtfähigkeit vorliegt ist – wie so oft – Einzelfallabhängig. So kann bei einem Kind bereits mit 12 Jahren der Willen maßgebliches Kriterium zur Bestimmung des Kindeswohl sein (theoretisch) während dies bei einem anderen Kind erst mit 14 Jahren der Fall ist, je nach Entwicklung der Kinder.

KG: Übertragung des Sorgerechts auf beide Elternteile gegen den Willen der Mutter?

Mittwoch, 6. Juni 2012 14:40

Jahrzehntelang hatte in Deutschland eine Regelung Bestand, die es dem unverheirateten Kindesvater unmöglich machte, die gemeinsame Sorge für das Kind auszuüben bzw. zunächst übertragen zu bekommen, wenn die Kindesmutter sich weigerte eine gemeinsame Sorgeerklärung abzugeben. Das führte nicht nur zu Frustration sondern auch dazu, dass Väter ihre Elternverantwortung gegen den Willen der Mutter nicht wirklich nachkommen konnten. MIt Entscheidung des BVerfG vom 21.07.2010 (1 BvR 420/09) wurde dieser unhaltbare Zustand mit Hinblick auf die Unvereinbarkeit dieser Regelungen mit Art. 6 Abs. 2 GG aufgehoben (wir berichteten). Die Übertragung der elterliche Sorge auf beide Elternteile ist möglich, wenn dies dem Kindeswohl entspricht.