Neues Urteil des Bundesgerichtshofes zu Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung

Dienstag, 16. August 2016 15:52

Der BGH hat in einer Entscheidung vom 06.07.2016 (AZ: XII ZB 61/16) Gelegenheit gehabt, die Rechtsprechung zur Bestimmtheit einer Patientenverfügung zu präzisieren.

Es ging um eine Patientin, die Ende 2011 einen Hirnschlag erlitt und seither mit einer Magensonde ernährt wurde.

Es gab Streit zwischen der Inhaberin einer Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung – einer Tochter – auf der einen Seite und zwei weiteren Töchtern der Patientin, ob die lebenserhaltenden Maßnahmen beendet werden sollten. In dem Text von der Patientenverfügung war beschrieben, dass u.a. dann, wenn aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbliebe, „lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben“ sollten (vgl. die Pressemitteilung im Juris-Portal).

Der BGH hielt diese Beschreibung für nicht konkret genug.

Der Vollmachttext muss hinreichend klar umschreiben, worauf sich die Entscheidungskompetenz des Bevollmächtigten bezieht. Es muss deutlich gesagt werden, was unterlassen und was vorgenommen werden darf. Die Vollmacht hat deutlich zum Ausdruck zu bringen, dass die jeweilige Entscheidung auch mit der begründeten Gefahr des Todes oder eines schweren oder länger dauernden gesundheitlichen Schadens verbunden sein könne. Es müssen konkrete Behandlungsmaßnahmen, z. B. „Abbruch der künstlichen Ernährung“ schriftlich niedergelegt werden. Die Entscheidung, welche Behandlung vorgenommen oder auch unterlassen werden soll oder darf, ist konkret und hinreichend bestimmt vorzunehmen.

Daraus lässt sich schließen, dass nicht jede im Internet kursierende Vollmacht geeignet ist dafür, als Muster zur Vorsorgevollmacht oder Patientenverfügung zu dienen. Es empfiehlt sich in jedem Falle, zur Vermeidung späterer – unter Umständen auch sehr kostenträchtigen – Gerichtsverfahren und Auseinandersetzungen sowie sonstiger Schadensverläufe vorab genügend erfahrene Experten hinzuziehen.

Gerne stehen wir Ihnen bei Fragen hierzu zur Verfügung.

Was bedeutet der BREXIT für das europäische Familienrecht

Mittwoch, 29. Juni 2016 7:21

Großbritannien hat am 23.06.2016 über einen Austritt aus der Europäischen Union abgestimmt. Die Bürger Großbritanniens haben sich in einem Referendum für einen Austritt aus der europäischen Union ausgeprochen (der sogenannte BREXIT), die eine Werte- aber zu einem gewissen Maß auch eine Rechtsgemeinschaft ist. Die Umschreibung als „Rechtsgemeinschaft“ trifft deshalb im europäischen Familienrecht nur bedingt zu, da die Mitgliedstaaten sich in der vergangenen Jahren sehr schwer damit taten, an einer Harmonisierung, also an einer Vereinheitlichung auf europäischer Ebene, mitzuwirken. Großbritanien hat sich allerdings dazu „durchgerungen“ die sogenannte Brüssel IIa-Verordnung, welche die internationale Zuständigkeit in Ehescheidungsangelegenheiten und Fragen der elterlichen Verantwortung regelt, für sich gelten zu lassen. Großbritanien hat sich damit für einen europäischen Ansatz geöffnet – allerdings gelten für Großbritannien weder die Europäische Unterhaltsverordnung noch die sogenannte Rom-III VO.

Nach der sogenannten Brüssel IIa-VO gelten bestimmte Zuständigkeitsgrundsätze, die eigenem Recht Großbritanniens (der sogenannten lex fori) nicht entsprechen. Nach der Brüssel IIa-VO bestimmt sich die Zuständigkeit in Fragen der elterlichen Verantwortung, also beispielsweise in Sorge- oder Umgangsangelegenheiten nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes. Diesen Grundsatz kannte das Recht Großbritanniens auch vor Inkrafttreten der Brüssel IIa-VO, so dass sich diesbezüglich im Grundsatz nicht viel ändern wird. Allerdings gibt es Sondervorschriften in der Brüssel IIa-VO beispielsweise für den Fall der Kindesentführung welche das sogenannte Haager Kindesentführungsübereinkommen „ergänzen“ – diese dürften – so die Vermutung des Verfassers – im Verhältnis zu Großbritannien ersatzlos wegfallen. Darüber hinaus spielte auch in Großbritannien für die internationale Zuständigkeit in Kindschaftsangelegenheiten in gewissen Konstellationen die Staatsangehörigkeit des Kindes eine Rolle (genau wie im deutschen Familienrecht) – ob und inwieweit diese „alten“ Regelungen wieder Wirksamkeit erlangen ist schlecht prognostizierbar – die „Bestimmbarkeit“ der internationalen Zuständigkeit wird allerdings unter dem Austritt aus der EU leiden.

Die Zuständigkeit betreffend die Ehescheidung im Rahmen der Brüssel IIa-VO richten sich nach dem gewöhnlichen Aufenthalt, der Staatsangehörigkeit oder dem sogenannten „domicile“ also nach dem Domizilprinzip. Vor Inkrafttreten der Brüssel IIa-VO bestimmte allein das dem deutschen Recht unbekannte Anknüpfungskriterium des Domizils die (internationale) Zuständigkeit. Danach spielt nicht Staatsangehörigkeit der Beteiligten eine Rolle, sondern die „Zugehörigkeit“ zu einem Rechtsgebiet. Insoweit spricht man von Domizilgebiet welches jeder mit Geburt erwirbt („domicile of origin“). Bei Ausscheiden aus der europäischen Union ist damit zu rechnen, dass erneut das vor Kontinentaleuropäier etwas schwergängige und in der Auslegung fehleranfällige Prinzip des „domicile“ die internationale Zuständigkeit in Großbritanien bestimmt – leichter verständliche und bestimmbare Anknüpfungspunkte wie der gewöhnliche Aufenthalt und die Staatsangehörigkeit werden voraussichtlich keine Rolle mehr spielen.

Noch ist GB in der EU und möglicherweise gibt es Bemühungen in Fragen der internationalen Zuständigkeit in Familiensachen ein Abkommen mit der EU zu schließen. Mit Blick auf das bisherigen Bemühungen Großbritanniens an Projekten wie der Brüssel IIa-VO dürfte dies allerdings eher unwahrscheinlich sein. Wahrscheinlicher ist ein „Aufleben“ lokaler Bestimmungen.

Gerne stehen wir Ihnen bei Fragen hierzu zur Verfügung.

Neue Zuständigkeit für den Berliner Bezirk Treptow-Köpenick: Das vierte Berliner Familiengericht

Dienstag, 1. März 2016 11:41

Ab 01.03.2016 ist für Familiensachen im Verwaltungsbezirk Treptow-Köpenick, das Amtsgericht Treptow – nicht mehr wie bisher das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg – zuständig. Bereis anhängige Verfahren bleiben beim Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg und werden dort beendet. Neue Verfahren müssen beim Amtsgericht Treptow anhängig gemacht werden. Damit hat Berlin neben den bestehenden Amtsgerichten Pankow/Weißensee, Tempelhof-Kreuzberg und Schöneberg ein weiteres Familiengericht bekommen. Mit Blick auf die rasante Bevölkerungszunahme – insbesondere im Bezirk Treptow – eine längst fällige und notwendige Maßnahme. Der Berliner Praktiker, also der im Familienrecht tätigen Anwalt, wird diese Entscheidung mit Blick auf die neu freigesetzten Kapazitäten aber auch mit Blick auf die möglicherweise verstärkte Uneinheitlichkeit der familienrichterlichen Entscheidungen betrachten, denn bereits bisher gibt es keinen „Berliner Weg“ der Berliner Familiengerichte. Die unterschiedlichen Maßstäbe die Berliner Richter, die in ihrem Ermessen frei sind, an Entscheidungen, gerade im Kindschaftsrecht, anlegen, machen es dem Praktiker oftmals schwer, den Verfahrensgang im Interesse der Mandantschaft genau zu bestimmen. Ein weiteres Familiengericht, möglicherweise mit eigener Praxis, wird voraussichtlich nicht dazu beitragen, dies „abzumildern“.