Neue Erkenntnisse zum notariellen Nachlassverzeichnis

Freitag, 6. März 2020 11:12

Über das notarielle Nachlassverzeichnis ist in den letzten Jahren sehr viel entschieden, geschrieben, diskutiert worden. Für Notare hat es sich – manchmal zur beschwerlichen – Pflicht herausgebildet, darauf zu achten, eigene Ermittlungen anzustellen und nicht lediglich Angaben des Auskunftsverpflichteten der Erben in eine notarielle Urkunde aufzunehmen. Dies war allerdings vom Gesetzgeber ohnehin so vorgesehen.

Nun hat es in der Rechtsprechung schon die Auffassung gegeben, ein notarielles Nachlassverzeichnis müsse innerhalb einer Frist von zwei Monaten erstellt werden. Jedoch hat die Notarkammer Brandenburg anlässlich einer Anfrage unter dem 08.01.2020 mitgeteilt:

„Dass zwischen Beginn (Beauftragung) und Abschluss eines notariellen Nachlassverzeichnisses ca. sechs Monate liegen, ist nach unserer Einschätzung wegen der erforderlichen Ermittlungstätigkeiten nicht auffällig. Die Bearbeitungszeiten für das Nachlassverzeichnis sind dabei von dem Notar nur bedingt zu beeinflussen, da erfahrungsgemäß die Rückäußerung anzufragender Stellen wie z.B. Banken erhebliche Zeit in Anspruch nehmen kann. In der Ankündigung des Notars, das Nachlassverzeichnis in einem Zeitraum von sechs Monaten zu fertigen, können wir daher kein berufsaufsichtlich relevantes Verhalten sehen.“

Die Auskunftsberechtigten werden sich daher darauf einrichten müssen, dass zwar Notare weiterhin – wie auch bisher – gutwillig darin sind, das Beste zu geben und zu tun, um notarielle Nachlassverzeichnisse zu erstellen, allerdings eine kurzfristige Stellung in aller Regel nicht zwingend ist. Dies bedeutet natürlich nicht, dass Notare nun regelmäßig sechs Monate Zeit in Anspruch nehmen, um solche Verzeichnisse herzustellen, zumal es durchaus möglich ist, dass auch schonmal neun Monate lang Zeit nötig ist, um ein ggf. umfangreiches Nachlassverzeichnis zu erstellen.

Meist ist es jedoch möglich, einen wesentlich kürzeren Zeitraum in Anspruch zu nehmen, abhängig natürlich davon, welchen Umfang der Nachlass hatte, welchen Inhalt und wie der Erbe mitarbeitet bei Ermittlungen und Errichtung.

Auch bleibt es Aufgabe des Notars zu entscheiden, ob tatsächlich die letzten zehn Jahre insgesamt von ihm überprüft werden im Hinblick auf etwaige Kontenabflüsse oder nicht. Nur dann, wenn es besondere Anhaltspunkte dafür gibt, ist dies sachgerecht, auf gut Glück jegliches Konto, das der Erblasser in den letzten zehn Jahren gehabt hat, auf pflichtteilsrelevante Abflüsse zu überprüfen, kann nicht Aufgabe des Notars sein. Es müssen schon gewisse Voraussetzungen und Verdachtsmomente dafür vorhanden sein, so dass natürlich der Pflichtteilsberechtigte solche Verdachtsmomente vortragen muss. Auf der anderen Seite muss der Erbe dafür sorgen, dass diese Kontoauszüge beschafft werden, also aus dem Nachlass die Kosten z.B. auch bestreiten.

Beachtlich ist auch, dass das Bundesverfassungsgericht mit einer Entscheidung vom 25.04.2016, 1 BvR 2423/14, im Einzelfall hinsichtlich etwaiger Schenkungen die Einsicht in vollständige Kontoauszüge und sonstige Bankunterlagen für „den Zehnjahreszeitraum“ für naheliegend befunden hat.

Im Ergebnis bleibt es dabei, der Notar bestimmt das Verfahren der Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses, die letztendliche Verantwortung liegt gleichwohl beim Erben, der sie nicht schlichtweg auf den Notar abschieben kann, aber wenn naheliegende Gründe vorliegen, ist Einsicht in die vollständigen Kontoauszüge der letzten zehn Jahre zu nehmen und dies in der Urkunde dann auch mitzuteilen. Sind aber keine naheliegenden Gründe vorhanden, kann dies nicht schematisch verlangt werden.

Neues Urteil des Bundesgerichtshofes zu Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung

Dienstag, 16. August 2016 15:52

Der BGH hat in einer Entscheidung vom 06.07.2016 (AZ: XII ZB 61/16) Gelegenheit gehabt, die Rechtsprechung zur Bestimmtheit einer Patientenverfügung zu präzisieren.

Es ging um eine Patientin, die Ende 2011 einen Hirnschlag erlitt und seither mit einer Magensonde ernährt wurde.

Es gab Streit zwischen der Inhaberin einer Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung – einer Tochter – auf der einen Seite und zwei weiteren Töchtern der Patientin, ob die lebenserhaltenden Maßnahmen beendet werden sollten. In dem Text von der Patientenverfügung war beschrieben, dass u.a. dann, wenn aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbliebe, „lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben“ sollten (vgl. die Pressemitteilung im Juris-Portal).

Der BGH hielt diese Beschreibung für nicht konkret genug.

Der Vollmachttext muss hinreichend klar umschreiben, worauf sich die Entscheidungskompetenz des Bevollmächtigten bezieht. Es muss deutlich gesagt werden, was unterlassen und was vorgenommen werden darf. Die Vollmacht hat deutlich zum Ausdruck zu bringen, dass die jeweilige Entscheidung auch mit der begründeten Gefahr des Todes oder eines schweren oder länger dauernden gesundheitlichen Schadens verbunden sein könne. Es müssen konkrete Behandlungsmaßnahmen, z. B. „Abbruch der künstlichen Ernährung“ schriftlich niedergelegt werden. Die Entscheidung, welche Behandlung vorgenommen oder auch unterlassen werden soll oder darf, ist konkret und hinreichend bestimmt vorzunehmen.

Daraus lässt sich schließen, dass nicht jede im Internet kursierende Vollmacht geeignet ist dafür, als Muster zur Vorsorgevollmacht oder Patientenverfügung zu dienen. Es empfiehlt sich in jedem Falle, zur Vermeidung späterer – unter Umständen auch sehr kostenträchtigen – Gerichtsverfahren und Auseinandersetzungen sowie sonstiger Schadensverläufe vorab genügend erfahrene Experten hinzuziehen.

Gerne stehen wir Ihnen bei Fragen hierzu zur Verfügung.

Was bedeutet der BREXIT für das europäische Familienrecht

Mittwoch, 29. Juni 2016 7:21

Großbritannien hat am 23.06.2016 über einen Austritt aus der Europäischen Union abgestimmt. Die Bürger Großbritanniens haben sich in einem Referendum für einen Austritt aus der europäischen Union ausgeprochen (der sogenannte BREXIT), die eine Werte- aber zu einem gewissen Maß auch eine Rechtsgemeinschaft ist. Die Umschreibung als „Rechtsgemeinschaft“ trifft deshalb im europäischen Familienrecht nur bedingt zu, da die Mitgliedstaaten sich in der vergangenen Jahren sehr schwer damit taten, an einer Harmonisierung, also an einer Vereinheitlichung auf europäischer Ebene, mitzuwirken. Großbritanien hat sich allerdings dazu „durchgerungen“ die sogenannte Brüssel IIa-Verordnung, welche die internationale Zuständigkeit in Ehescheidungsangelegenheiten und Fragen der elterlichen Verantwortung regelt, für sich gelten zu lassen. Großbritanien hat sich damit für einen europäischen Ansatz geöffnet – allerdings gelten für Großbritannien weder die Europäische Unterhaltsverordnung noch die sogenannte Rom-III VO.

Nach der sogenannten Brüssel IIa-VO gelten bestimmte Zuständigkeitsgrundsätze, die eigenem Recht Großbritanniens (der sogenannten lex fori) nicht entsprechen. Nach der Brüssel IIa-VO bestimmt sich die Zuständigkeit in Fragen der elterlichen Verantwortung, also beispielsweise in Sorge- oder Umgangsangelegenheiten nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes. Diesen Grundsatz kannte das Recht Großbritanniens auch vor Inkrafttreten der Brüssel IIa-VO, so dass sich diesbezüglich im Grundsatz nicht viel ändern wird. Allerdings gibt es Sondervorschriften in der Brüssel IIa-VO beispielsweise für den Fall der Kindesentführung welche das sogenannte Haager Kindesentführungsübereinkommen „ergänzen“ – diese dürften – so die Vermutung des Verfassers – im Verhältnis zu Großbritannien ersatzlos wegfallen. Darüber hinaus spielte auch in Großbritannien für die internationale Zuständigkeit in Kindschaftsangelegenheiten in gewissen Konstellationen die Staatsangehörigkeit des Kindes eine Rolle (genau wie im deutschen Familienrecht) – ob und inwieweit diese „alten“ Regelungen wieder Wirksamkeit erlangen ist schlecht prognostizierbar – die „Bestimmbarkeit“ der internationalen Zuständigkeit wird allerdings unter dem Austritt aus der EU leiden.

Die Zuständigkeit betreffend die Ehescheidung im Rahmen der Brüssel IIa-VO richten sich nach dem gewöhnlichen Aufenthalt, der Staatsangehörigkeit oder dem sogenannten „domicile“ also nach dem Domizilprinzip. Vor Inkrafttreten der Brüssel IIa-VO bestimmte allein das dem deutschen Recht unbekannte Anknüpfungskriterium des Domizils die (internationale) Zuständigkeit. Danach spielt nicht Staatsangehörigkeit der Beteiligten eine Rolle, sondern die „Zugehörigkeit“ zu einem Rechtsgebiet. Insoweit spricht man von Domizilgebiet welches jeder mit Geburt erwirbt („domicile of origin“). Bei Ausscheiden aus der europäischen Union ist damit zu rechnen, dass erneut das vor Kontinentaleuropäier etwas schwergängige und in der Auslegung fehleranfällige Prinzip des „domicile“ die internationale Zuständigkeit in Großbritanien bestimmt – leichter verständliche und bestimmbare Anknüpfungspunkte wie der gewöhnliche Aufenthalt und die Staatsangehörigkeit werden voraussichtlich keine Rolle mehr spielen.

Noch ist GB in der EU und möglicherweise gibt es Bemühungen in Fragen der internationalen Zuständigkeit in Familiensachen ein Abkommen mit der EU zu schließen. Mit Blick auf das bisherigen Bemühungen Großbritanniens an Projekten wie der Brüssel IIa-VO dürfte dies allerdings eher unwahrscheinlich sein. Wahrscheinlicher ist ein „Aufleben“ lokaler Bestimmungen.

Gerne stehen wir Ihnen bei Fragen hierzu zur Verfügung.