Was bedeutet der BREXIT für das europäische Familienrecht

Mittwoch, 29. Juni 2016 7:21

Großbritannien hat am 23.06.2016 über einen Austritt aus der Europäischen Union abgestimmt. Die Bürger Großbritanniens haben sich in einem Referendum für einen Austritt aus der europäischen Union ausgeprochen (der sogenannte BREXIT), die eine Werte- aber zu einem gewissen Maß auch eine Rechtsgemeinschaft ist. Die Umschreibung als „Rechtsgemeinschaft“ trifft deshalb im europäischen Familienrecht nur bedingt zu, da die Mitgliedstaaten sich in der vergangenen Jahren sehr schwer damit taten, an einer Harmonisierung, also an einer Vereinheitlichung auf europäischer Ebene, mitzuwirken. Großbritanien hat sich allerdings dazu „durchgerungen“ die sogenannte Brüssel IIa-Verordnung, welche die internationale Zuständigkeit in Ehescheidungsangelegenheiten und Fragen der elterlichen Verantwortung regelt, für sich gelten zu lassen. Großbritanien hat sich damit für einen europäischen Ansatz geöffnet – allerdings gelten für Großbritannien weder die Europäische Unterhaltsverordnung noch die sogenannte Rom-III VO.

Nach der sogenannten Brüssel IIa-VO gelten bestimmte Zuständigkeitsgrundsätze, die eigenem Recht Großbritanniens (der sogenannten lex fori) nicht entsprechen. Nach der Brüssel IIa-VO bestimmt sich die Zuständigkeit in Fragen der elterlichen Verantwortung, also beispielsweise in Sorge- oder Umgangsangelegenheiten nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes. Diesen Grundsatz kannte das Recht Großbritanniens auch vor Inkrafttreten der Brüssel IIa-VO, so dass sich diesbezüglich im Grundsatz nicht viel ändern wird. Allerdings gibt es Sondervorschriften in der Brüssel IIa-VO beispielsweise für den Fall der Kindesentführung welche das sogenannte Haager Kindesentführungsübereinkommen „ergänzen“ – diese dürften – so die Vermutung des Verfassers – im Verhältnis zu Großbritannien ersatzlos wegfallen. Darüber hinaus spielte auch in Großbritannien für die internationale Zuständigkeit in Kindschaftsangelegenheiten in gewissen Konstellationen die Staatsangehörigkeit des Kindes eine Rolle (genau wie im deutschen Familienrecht) – ob und inwieweit diese „alten“ Regelungen wieder Wirksamkeit erlangen ist schlecht prognostizierbar – die „Bestimmbarkeit“ der internationalen Zuständigkeit wird allerdings unter dem Austritt aus der EU leiden.

Die Zuständigkeit betreffend die Ehescheidung im Rahmen der Brüssel IIa-VO richten sich nach dem gewöhnlichen Aufenthalt, der Staatsangehörigkeit oder dem sogenannten „domicile“ also nach dem Domizilprinzip. Vor Inkrafttreten der Brüssel IIa-VO bestimmte allein das dem deutschen Recht unbekannte Anknüpfungskriterium des Domizils die (internationale) Zuständigkeit. Danach spielt nicht Staatsangehörigkeit der Beteiligten eine Rolle, sondern die „Zugehörigkeit“ zu einem Rechtsgebiet. Insoweit spricht man von Domizilgebiet welches jeder mit Geburt erwirbt („domicile of origin“). Bei Ausscheiden aus der europäischen Union ist damit zu rechnen, dass erneut das vor Kontinentaleuropäier etwas schwergängige und in der Auslegung fehleranfällige Prinzip des „domicile“ die internationale Zuständigkeit in Großbritanien bestimmt – leichter verständliche und bestimmbare Anknüpfungspunkte wie der gewöhnliche Aufenthalt und die Staatsangehörigkeit werden voraussichtlich keine Rolle mehr spielen.

Noch ist GB in der EU und möglicherweise gibt es Bemühungen in Fragen der internationalen Zuständigkeit in Familiensachen ein Abkommen mit der EU zu schließen. Mit Blick auf das bisherigen Bemühungen Großbritanniens an Projekten wie der Brüssel IIa-VO dürfte dies allerdings eher unwahrscheinlich sein. Wahrscheinlicher ist ein „Aufleben“ lokaler Bestimmungen.

Gerne stehen wir Ihnen bei Fragen hierzu zur Verfügung.

Die Europäische Erbrechtsverordnung gilt seit 17.08.2015

Donnerstag, 10. September 2015 10:18

Die Europäische Erbrechtsverordnung gilt seit 17.08.2015, d. h. Erbfälle, die sich ab diesem Zeitpunkt ereignen, sind danach zu beurteilen und Testamente/Erbverträge entsprechend zu gestalten.

Die neue Europäische Erbrechtsverordnung, genaue Bezeichnung: Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04 Juli 2012, veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Union vom 27.07.2012 zu L 201/107.

Sie gilt in allen EU-Mitgliedsstaaten. Sie ist auch zu beachten, wenn Fälle zu bearbeiten sind, an denen andere Nicht-EU-Nationalitäten beteiligt sind, die jedoch einen EU Bezug haben.

Bei Grenzüberschreitendem Bezug wird geregelt, welches mitgliedstaatliche Recht auf den Erbfall anzuwenden ist und welche Institutionen welchen Mitgliedstaates für Entscheidungen über den Erbfall die Zuständigkeit haben.

Nicht mehr die Staatsangehörigkeit entscheidet, wie bisher, sondern der letzte gewöhnliche Aufenthaltsort des Erblassers, in dem der Verstorbene zuletzt lebte. (domicile, residence)

Weiterhin ist zu beachten, ob eine Rechtswahl stattgefunden hat und zwar sowohl bezüglich des gesamten anzuwendenden Rechtes als auch einer teilweisen Anwendbarkeit, wenn die Rechtswahlklauseln aus der Zeit vor dem 17. August 2015 stammten und sich zum Beispiel in Deutschland nur auf das unbewegliche Vermögen beschränkten. Diese bleiben nach Artikel 83 Abs. 2 der Verordnung wirksam. Dennoch ist es ratsam, in jedem einzelnen Fall alter Verfügungen, in denen grenzüberschreitende Sachverhalte relevant werden können, die Verfügungen von Todes wegen (Testamente, Erbverträge, gemeinschaftliche Testamente, Vermächtnisse usw.) von einem Erbrechtsexperten überprüfen zu lassen.

Kanada: Reform des Familienrechts in British Columbia

Donnerstag, 28. März 2013 10:49

Das Kanadische Familienrecht ist sowohl auf Bundesebene, als auch auf Ebene der Provinzen und Territorien geregelt. Der Divorce Act aus dem Jahr 1985 sieht auf Bundesebene Regelungen zum Familienrecht vor. Neben der Scheidung hält der Divorce Act Vorschriften zum Kindesunterhalt (child support) und Trennungsunterhalt (spousal support) vor. Auf Provinzebene war das Familienrecht in British Columbia bis zum 18.03.2013 im Family Relations Act geregelt. Dieser wurde mit Inkrafttreten des Family Law Act 18.03.2013 durch diesen ersetzt.

Die wichtigsten Neueregelungen im Family Law Act (2013) betreffen das Kindschaftsrecht (Sorge- und Umgangsrecht). Ähnlich wie in anderen Provinzen, aber auch ähnlich der Regelungen in den USA, stellt der Family Law Act das Kindeswohl in den Mittelpunkt der Sorgerechtsprüfung. Darüber hinaus gibt es klare Regelungen zur Kindesentziehung bei Verzug eines Elternteils in eine andere Provinz (parental relocation) und zur Frage häuslicher Gewalt (domestic violence). Wie bereits der Divorce Act unterstützt auch der Family Law Act die außergerichtliche Streitbeilegung und gibt dem Rechtsanwender hierfür mehrere Möglichkeiten an die Hand. Dazu gehören neben Trennungsvereinbarungen (separation agreements) auch Sorgerechtsvereinbarungen (parenting arragements) sowie die Möglichkeiten der alternative dispute resolution (mediation, arbitration).

Insgesamt ist festzustellen, dass der Family Law Act Regelungslücken, die bisher durch die Rechtsprechung aufgefüllt wurden (vgl. bspw. Hartshorne v Hartshorne) gefüllt hat. Insbesondere die Regelungen zu Fragen des Sorgerechts geben dem Rechtsanwender, der sich nicht anwaltlich vertreten lassen muss (!), ein Mehr an Rechtssicherheit.