BGH: Anforderung an kindbezogene Gründe zur Fortzahlung des Betreuungsunterhalts

Der BGH hat in einer vielbeachteten (und viel diskutierten Entscheidung, vgl. Löhnig/Preisner, FamRZ 2011, 1537ff. sowie Erbarth, FamRZ 2012, 340ff.) Stellung zur Frage des Altersphasenmodells genommen und sich erneut unmisserverständlich gegen die Anwendung eines solchen Modells ausgesprochen, das Gericht hat aber darüber hinaus auch Ausführungen zur Definition und Bestimmung sog. „kindbezogener Gründe“ gemacht, die, wenn sie vorliegen, es rechtfertigen, dass Betreuungsunterhalt an den betreuunden Elternteil auch über das dritte Lebensjahr des Kindes hinaus zu leisten ist.

Das Oberlandesgericht hatte das sog. „Alterphasenmodell“ (ein Modell welches bis zur Unterhaltsreform [in Kraft zum 01.01.2008] galt und ein Betreuungsaufwand nach Altersstufen bemaß) als „Beurteilungsrahmen“ herangezogen und für das Alter 3-8 Jahre pauschal eine Verpflichtung zur teilschichtigen Erwerbstätigkeit bis zum Umfang von 20 Wochenstunden (mindestens jedoch im Umfang einer geringfügigen Beschäftigung, so das OLG).

Ein Verpflichtung zur Vollzeittätigkeit hat das OLG erst ab dem zwölften Lebensjahr angenommen.

Erwartungsgemäß hat der BGH diese rechtliche Beurteilung für unvereinbar mit § 1570 BGB erklärt (was das OLG zum „Rückfall“ hinsichtlich der Anwendung von Altersphasen bewegt hat bleibt fraglich).

Der BGH nimmt sodann Stellung zur Verlängerung des Betreuungsunterhalt anhand kindbezogener Gründe und lehnt eine Annhame von kindbezogenen Gründen in dem vorliegenden Fall ab. Das Kind war in dem zu entscheidenden Fall nach längerem Aufenthalt in einer Pflegefamilien zur Kindesmutter zurückgekehrt und benötige daher behutsamen Umgang, so das OLG.

Der BGH hat diesen Vortrag für das Vorliegen kindbezogener Gründe nicht ausreichen lassen, da eine Betreungsmöglichkeit im Rahmen einer Ganztragsschule bestünde.

Die Kritik aus der Literatur wirft dem BGH vor, dass er damit faktisch die im Gesetz vorgesehene Verlängerung des Betreuungsunterhaltes aus kindbezogenen Gründen beseitige.

Der Beschluss des BGH zeigt zumindest, dass allein individuelle Gründe eine Verlängerung rechtfertigen und dass zur Begründung der Betreuungsbedürftigkeit durch einen Elternteil hohe Anforderung gestellt sind. Regelmäßig muss daher nachgewiesen sein, dass eine Fremdbetreuung entweder kindeswohlgefährdend ist und/oder eine Betreuung so wie sie durch den Elternteil geleistet wird (dies wird vorallem bei der Betreuung von Kinder mit körperlich oder geistigen Beeinträchtigungen der Fall sein) durch Dritte nicht möglich ist.