BVerfG erklärt Rechtsprechung zu den “wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen” für verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 25.01.2011 (Entscheidung im Volltext hier) entschieden, dass die entwickelte Rechtsprechung zu den „wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen“ zur Auslegung von § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstattsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG verstößt. Im Rahmen der „wandelbaren ehelichen Lebensverhältnisse“ kam im Dreipersonenverhältnis die sogenannte „Drittellösung“, eine Dreiteilung der Bedarfsgrundlagen zur Ermittlung des Einzelbedarfs, zur Anwendung.

Ein solches Dreipersonenverhältnis im Sinne der o.g. Rechtsprechung liegt insbesondere dann vor, wenn der Unterhaltsverpflichtete zwei (ehemaligen) Ehegatten zum Unterhalt verpflichtet ist, bzw. der neue Partner (Ehegatte) neben dem bisherigen Partner unterhaltsbedürftig ist. In diesem Fall wird das Einkommen aller Beteiligter zur Bedarfsermittlung zusammengerechnet. Der Unterhalt des zweiten Ehegatten beeinflußt den Bedarf des ersten Ehegatten und umgekehrt.

Das BVerfG hat nun in seiner Entscheidung vom 25.01.2011 festgestellt, dass diese Berechnungsmethode nicht mit dem Wortlaut des § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB begründet werden kann. Die Berücksichtigung der Änderung der nachehelichen Lebensverhältnisse im Rahmen der Bedarfsermittlung schafft ein eigenes – von dem Konzept des Gesetzgebers abgelöstes – Modell, mit welchem die Grenzen zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung überschritten werden. Der Gesetzgeber habe den § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB im Rahmen der Reform des Unterhaltsrechts unverändert belassen und damit unterstrichen, dass der Unterhalt auch weiterhin (zunächst) am Maßstab der „ehelichen Lebensverhältnisse“ zu bemessen ist.

Die ehelichen Lebensverhältnisse sind nach Intention des Gesetzgebers zunächst unverändert im Rahmen des Unterhaltsbedarfs zu sichern. Der Unterhaltsbedarf darf sich gerade nicht nach den tatsächlichen Lebensverhältnissen und finanziellen Ausstattungen wie Belastungen der Geschiedenen zum Zeitpunkt der Geltendmachung orientieren, sondern hat die ehelichen Lebensverhältnisse zu berücksichtigen.

Damit hat das BVerfG die in der Literatur umstrittene Rechtsprechung zur „Dreitteilung“ der Bedarfsgrundlagen gekippt und der Rechtsprechung die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung aufgezeigt.

Bei der Bedarfsermittlung hat nunmehr die „Drittellösung“ unangewendet zu bleiben.

Eine Neuberechnung des Unterhaltes ist dann erforderlich, wenn die bisherige Berechnung weitere Unterhaltspflichten des Unterhaltsverpflichteten gegenüber neuen Ehegatten berücksichtigt hat. Unterhaltstitel, die nach dem 01.01.2008 entstanden sind und bei denen die Höhe der Unterhaltspflicht unter Berücksichtigung des Bedarfs eines neuen Lebenspartners (eines „Dritten“) berechnet wurde, sind daher zu überprüfen und ggf. abzuändern. Denn gerade für die Unterhaltsberechtigten führte die Rechtsprechung des BGH zu der „Drittellösung“ dazu, dass der regelmäßig weniger, selten dasselbe und in keinem Fall mehr als nach der bis dahin geltenen Bedarfsermittlung, die sich streng nach den „fortgeschriebenen“ ehelichen Lebensverhältnissen richtete, an Unterhalt zustand.

Die mit der Kontrollrechnung verbundene richterliche Dreiteilungsmerhtode belastet den vorangegenagenen Ehegatten einseitig zugrunsten des Utnerhaltspflichtigen und dessen nachfolgenden Ehegatten (Mitteilung der Pressestelle des BVerfG Nr. 13/2011 vom 11.02.2011).

Bei Titeln die in nach 01.01.2008 (unter Anwendung des reformierten Unterhaltsrechts) entstanden sind, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass eine Abänderung unter Berücksichtigung der Auffassung des BVerfG, zu einer insgesamt höheren Unterhaltsberechtigung führt.