BGH: Obliegenheit zur Vollerwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 15.06.2011 (im Volltext hier) erneut Stellung genommen zur Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils wenn das zu betreuende Kind das 3. Lebensjahr vollendet. Grundsätzlich, so der BGH, ist keine abrupter Wechsel von ganztätiger Betreuung zur Vollerwerbstätigkeit im Rahmen der Erwerbsobliegenheit zwingend, sondern ein gestufter Wechsel hin zur Vollzeittätigkeit möglich. Ein solcher gestufter Wechsel setze aber voraus, dass kind- oder elternbezogene Gründe vorliegen und vorgetragen werden, die einer vollschichtigen Tätigkeit des betreuenden Elternteils entgegenstehen. Nur an solchen individuellen Gründen kann sich der gestufte Übergang im Einzelnen orientieren.

Rückgriff auf das vor dem 01.01.2008 angewendete sog. „Altersphasenmodell“ könne dabei nicht genommen werden. Damit beugt der BGH weiteren Spekulationen der Literatur vor, das sog. Altersphasenmodell könne als Orientierungsmaßstab für die Ausgestaltung eines gestuften Überganges herangezogen werden.

Die kind- und elternbezogenen Verlängerungsgründe für eine über das 3. Lebensjahr hinausgehende Betreuung sind allein nach den Umständen des Einzelfalls zu ermitteln.

Die Entscheidung des BGH macht klar, dass mit Abkehr vom sog. Altersphasenmodell eine tatsächliche und vollständige Loslösung von diesem „Hilfsmittel“ gewollt war.

Jeder Einzelfall ist neu zu entscheiden und daher ist es ratsam, sich im Vorfeld einer Scheidung dahingehend beraten zu lassen, mit welchen Unterhaltsleistungen bzw. Verpflichtungen im Einzelfall zu rechnen ist.

Eine „Verlängerung“ des Betreuungsunterhaltes ist bei ausreichender Darlegung der dafür sprechenden Umstände möglich. Erfolgt eine solche Erklärung nicht, entfällt ggf. der Anspruch auf Betreuungsunterhalt, da dem Betreuenden dann – fiktiv – ein Einkommen aus Vollzeitätigkeit zugerechnet wird.

Zur Vermeidung der oben genannten unterhaltsrechtlichen Probleme bietet es sich an einen Ehevertrag abzuschließen, in dem die Kinderbetreuungszeiten nach Trennung und Scheidung explizit geregelt werden.